Predigt zu Gal 3,26-29 - 22.09.2024

2024-09-22 Sarah

Predigt zu Gal 3,26-29 - 22.09.2024

Galatien war nur der Anfang

Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind… Dann gibt es Streit. Gerade, wenn es um emotionale Themen, wie unseren Glauben geht, kann es schnell zu verhärteten Fronten kommen. Dazu müssen wir nur einen Blick in die Geschichte des Christentums werfen. Es gab unzählige Konzilien und Synoden, in denen Konflikte meist friedlich gelöst werden konnten. Manchmal waren die Unterschiede aber auch so groß, dass die Kirche sich gespalten hat. Und manchmal waren die Fronten so verhärtet, dass es auch zu Kriegen geführt hat.

Die Gemeinde in Galatien ist auch nicht zur Ruhe gekommen. Auch dort gab es einen erbitterten Streit. Auf der einen Seite diejenigen, die sagen, dass die Beschneidung notwendig ist, um den Bund mit Gott zu schließen. Und, dass alle 613 Gebote befolgt werden müssen. Auf der anderen Seite diejenigen, die der Meinung sind, dass die Taufe ausreicht.

Die Gemeinde wendet sich an Paulus, um eine Lösung zu finden. Der wiederum ist ziemlich ungehalten darüber, dass die Gemeinde es nicht aus eigenen Kräften schafft, diesen Konflikt zu befrieden.

Der Glaube verbindet uns

Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Durch den Glauben, sind wir Kinder Gottes, sind wir eine große Familie, gehören wir dazu. Sola fide - einer der reformatorischen Grundsätze. Allein durch den Glauben wird der Mensch gerechtfertigt, nicht durch gute Werke. Nicht was wir tun, was wir erreichen, oder was wir verdienen, ist wichtig. Allein unser Glaube lässt uns Teil dieser Gemeinschaft sein.

Das griechische Wort “pistis”, das Paulus für den Glauben nutzt, bedeutet auch Vertrauen. Unser Glaube ist kein “Ich glaub schon, dass es einen Gott geben könnte”. Er ist ein “Ich vertraue darauf, dass es Gott gibt und ich Vertraue Gott”

Einfach mal Fallen lassen

Lasst uns ein kleines Gedankenexperiment machen, um den Unterschied zu sehen. Ich denke, wir können uns hier alle darauf einigen, das Fallschirme ein Wunderwerk der Technik sind. Dass sie schon ziemlich sicher sind und Menschen sanft durch die Lüfte tragen können. Wenn wir nun aber in 4000m Höhe an der offenen Flugzeugtür stehen, dann zeigt sich, ob wir nur daran Glauben, oder ob wir dem Fallschirm auch vertrauen können. Können wir uns fallen lassen, uns tragen lassen?

Durch unseren Glauben können wir in Konflikten unser Herz öffnen. Denn wir können darauf vertrauen, dass Gott uns den richtigen Weg weisen wird. Wir können unserem Gegenüber mit Respekt und mit Nächstenliebe begegnen und darauf vertrauen, dass er es genauso machen wird.

Kleider machen Leute

Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Mit unserer Taufe haben wir Christus angezogen, wir sind nun in ihm und mit ihm. Wir sind ein Teil der Gemeinschaft. Ein Glied in seinem Leib.

Wir haben Christus angezogen. Da steckt auch wieder eine Metapher, die wir heutzutage nicht mehr deuten können, aber die Galater sehr wohl verstanden haben.

Im alten Rom war es üblich, dass Kinder eine kindliche Toga getragen haben. Die Toga Praetexta. Wenn die Kinder alt genug waren und in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen wurden, wurde ihnen eine neue Toga, die Toga Virilis, als Zeichen ihrer Mündigkeit überreicht. Die Tora, also das Alte Testament, und Jesus haben uns die Grundlagen und die Ethik gelehrt. Mit der Taufe sind wir zu mündigen Gläubigen ernannt worden. Wir dürfen, ja wir sollen sogar Dinge hinterfragen und Veränderungen anstoßen, wenn wir etwas für falsch halten.

An dieser Stelle ein kleiner Einschub: Bei der Aussage von Paulus, der die Juden indirekt als unmündig bezeichnet, schwingt eine Judenfeindlichkeit mit, der ich hier einmal ganz deutlich widersprechen muss. Es ist im Judentum seit jeher üblich, dass die Auslegung der Texte hinterfragt und angepasst wird. Es ist in der jüdischen Kultur tiefer verankert, als es das im Christentum jemals war.

Was Paulus aber sagt, ist trotzdem nicht weniger wichtig. Wir brauchen in unserer Gemeinde eine Kultur, in der wir, wie Erwachsene, miteinander streiten können. Friedlich, mit Worten und Argumenten. Immer auf der Suche nach einer Lösung. Wenn sich kein Kompromiss anbietet, die Unterschiede auch da sein zu lassen und es auszuhalten.

Kategorie Mensch

Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. Ethnie, sozialer Status, Geschlecht, all das sind weltliche Kategorien, die bei Gott nichts zählen. Paulus hat die Kategorien aber nicht abgeschafft. Aus einer weltlichen Perspektive gibt es diese Unterscheidungen weiterhin. Und es ist wichtig, dass wir die Unterschiede benennen. Denn nur so können wir Diskriminierungen sichtbar machen und auf der Seite der Schwachen dagegen ankämpfen.

Gott diskriminiert nicht. Im Glauben sind wir alle gleich. Und auch in unserer Gemeinschaft gehören ganz selbstverständlich alle dazu. Sollten sie zumindest. Da wo es nicht so ist, müssen wir dafür streiten.

We are Family

Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Nachkommen und nach der Verheißung Erben. In Christus sind wir eins. Viele verschiedene und ganz individuelle Glieder, in einem Leib. Allein durch unseren Glauben, gehören wir dazu, sind wir Teil einer riesigen Familie und somit auch Erben Gottes.

Der Wochenspruch Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. fasst es nochmal gut zusammen.

Unser Glaube hilft uns, alle weltlichen Differenzen zu überwinden. Und wir können sehen, dass es funktioniert. Ob im Großen, wenn wir zum Beispiel in die Ökumene schauen, wo die verschiedenen Konfessionen es langsam schaffen, sich wieder anzunähern. Oder auch im Kleinen, bei uns. Wenn wir uns darüber streiten, ob auf unserem Altar eine Tischdecke gehört, oder wir auf Gemeindefesten Alkohol ausschenken.

Ich bin Sarah. Ich glaube an Gott. Oder besser: ich vertraue auf Gott. Ich bin Teil der weltweiten christlichen Gemeinschaft. Und ich bin stolz darauf, ein Teil dieser, unserer Kirchengemeinde hier in Adlershof zu sein. Einer Gemeinde, die diskriminierendes Verhalten nicht toleriert. Die Konflikte nicht scheut und es immer wieder aus eigener Kraft heraus schafft, Lösungen zu finden.

Amen.