Predigt zu Gen 12,1–4a - 30.06.2024
Predigt zu Gen 12,1–4a
Mit Gott neue Wege gehen. Wie sehr habe ich mich darüber gefreut, dass am heutigen Sonntag genau dieses Thema auf der Tagesordnung steht. Ist es doch ein Thema, mit dem ich mich seit langer Zeit intensiv auseinander setze. Wie schön, dass ich etwas zu dem Thema sagen darf.
Voller Elan habe ich mich an diese Predigt gesetzt. Aber die Ernüchterung hat leider nicht lange auf sich warten lassen. Ja, ich habe viel auf meinem Weg in den letzten Jahren gelernt. Und ich habe viele Schlüsse daraus ziehen können. Dabei ging es aber immer um mich und meinen ganz eigenen Weg. Dein Weg ist aber ein anderer. Dein Weg ist so individuell, wie du es bist, und du stehst gerade an einem ganz anderen Punkt, den ich nicht mal kenne. Wie kann ich mir dann anmaßen, schlaue Ratschläge zu verteilen? In Einzelgesprächen mag das ja vielleicht noch funktionieren, aber hier vor so vielen verschiedenen Menschen. Jeder und jede einzelne hier hat einen ganz eigenen Weg vor und auch schon hinter sich.
Vielleicht ist das ein ziemlich hoher Anspruch, den ich an mich stelle, wenn ich versuche, etwas zu finden, das auf alle gleichermaßen passt. Wenn ich mit dieser Predigt alle Menschen da abholen will, wo sie gerade stehen.
Vielleicht stecken, aber genau in den Schwierigkeiten, die ich beim Schreiben hatte, schon ein paar wichtige Erkenntnisse.
Zum einen, und das ist wahrscheinlich die schlechte Nachricht, dieser Predigt. Es gibt nicht die eine Wahrheit. Es gibt nicht den einen Tipp, der dir zu einem glücklicheren, besseren, zufriedeneren Leben verhilft.
Zum Anderen habe ich die Schwierigkeiten nur, weil ich es wieder mal allen recht machen möchte. Ich stelle viel zu hohe, ja teils unerfüllbare Ansprüche an mich selbst und stehe mir damit selbst im Weg.
Ich könnte jetzt natürlich alles hinschmeißen. Dann soll doch jemand anderes die Andacht halten. Ich könnte auch einfach eine vorgefertigte Lesepredigt nehmen und vortragen. Dann würde ich aber eine großartige Chance verpassen. Ich darf, und das ist ein großes Privileg, hier stehen und ich werde gesehen - wohlgemerkt, gesehen und nicht einfach nur angestarrt.
Ich darf lernen. Das ist erst meine 5. Predigt, die ich halten darf und ja, ich habe noch viel zu lernen. Aber nur wenn ich mich traue auch Fehler zu machen, kann ich daran wachsen.
Und der wahrscheinlich wichtigste Grund, warum ich gerne hier vorne stehe: Ich habe die Chance, Menschen zu erreichen und etwas zu verändern. Wenn nur eine einzige Person hier heute raus geht und nur einen Satz behält, der etwas in ihr bewirkt, dann habe ich etwas Großartiges erreichen können. Das ist etwas, was mich antreibt. Was mich motiviert, trotz aller Schwierigkeiten und bedenken, etwas zu tun. Ich mag es, wenn ich Menschen berühren, sie inspirieren oder auch motivieren kann. Was treibt dich an? Was ist es, das dich motiviert? Das dein Herz mit Freude erfüllt?
Um einen neuen Weg zu gehen, muss ich ja erstmal wissen, was dieser neue Weg ist. Die erste Frage lautet also: “Wie finde ich den Weg?” oder “Woher weiß ich, was Gott von mir will”.
Letztes Jahr, im Sommer, bin ich mit genau dieser Fragestellung für eine Woche ins Kloster gegangen und habe mich auf die Suche nach Gott begeben. Und ich habe Gott gefunden. Na ja, zumindest bin ich ihm recht nah gekommen. Nicht im Außen, sondern in mir, in meinem Herzen. Ich bin davon überzeugt, dass Gott uns unseren Weg weist, wenn es an der Zeit ist. So, wie es auch im Predigttext steht
“Und Gott sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.”
Nur dass Gott nicht plötzlich vor unserer Tür steht: “Guten Tag, ich bin Gott. Ich möchte gerne, dass du dieses oder jenes für mich tust.”
Gott kommuniziert mit uns über unser Herz, über unsere Gefühle und Gedanken. Wir müssen uns nur - und das klingt jetzt leichter, als es ist. Wir müssen uns nur dafür öffnen und uns darauf einlassen. Ganz im Sinne der Jahreslosung handeln. “Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe”.
Wenn also im Predigttext steht “Und Gott sprach zu Abram: Geh in ein Land, das ich dir zeigen will.”, dann ist das in meiner Vorstellung eine Umschreibung, dafür, dass Abram eine gewisse Sehnsucht nach der Ferne gepackt hat. Wahrscheinlich hat er das im ersten Moment auch als verrückte Schnapsidee abgetan. Und wahrscheinlich wird er in seinem Umfeld dafür auch viel Hohn und Spott geerntet haben. Aber am Ende ist er seinem Herzen, ist er Gott gefolgt. Er hat sich, entgegen jeder Vernunft, auf die Reise gemacht.
Unseres Vaters Hause, wie es in der Bibel so schön beschrieben ist, haben wir alle schon mal verlassen. Damals, als wir jung waren und von zu Hause ausgezogen sind. Abram war zu dem Zeitpunkt, als er ausgezogen war, aber schon 75 Jahre alt. Der Text zeigt uns auch, dass es nie zu spät ist, etwas zu verändern. Wir können jeder Zeit umkehren und uns dazu entscheiden, unserem Herzen zu folgen.
Umkehren heißt nicht etwa eine 180° Wende zu machen. Umkehren bedeutet, dass wir einen anderen Weg einschlagen. Dass wir uns trauen und vertrauen, die alten Wege zu verlassen und neue unbekannte Pfade zu gehen.
Neue Wege gehen, birgt auch immer das Risiko, dass wir uns verlaufen. Wir sind Menschen, wir machen Fehler. Und auch Scheitern ist immer eine Option. Wir können auf halbem Wege für uns feststellen, dass dieser Weg nicht der richtige war. Wir können jeder Zeit einen anderen Weg wählen. Und auch dann war es nicht umsonst. Denn ganz egal, welchen Weg du wählst und, wie weit du ihn gehst, mit jedem Schritt, den du machst, sammelst du wertvolle neue Erfahrungen. Erfahrungen, die dir helfen können deinen Weg zu finden. Und bei all dem können wir uns immer gewiss sein, dass Gott an unserer Seite ist und uns hält.
Zum Schluss möchte ich noch einen kurzen Satz mit dir teilen, der mir auf meiner Reise begegnet ist. Ein Satz, der mir immer dann hilft, wenn mein Herz mich in eine Richtung zieht, und mein Kopf voll mit Zweifeln und Ängsten ist. Thomas Quartier hat in seinem Buch “Bleiben - Umarmen, was man sich nicht ausgesucht hat” diesen schönen Satz formuliert:
“Es ist Sünde sich selbst im Weg zu stehen”
In diesem Sinne, Lasst uns auf Gott und unsere Wege vertrauen. Lasst uns Fehler machen und daraus lernen. Und lasst uns gesegnet und ein Segen sein. Amen.