Predigt zum Muttertag - 12.05.2024

2024-05-12 Sarah

Predigt zu Maria, am Muttertag

Ich hatte es in der Begrüßung schon angekündigt, wir wollen heute auch Maria, die heilige Maria, Mutter Gottes, denken.

Hier bei uns, in der evangelischen Kirche spielt Maria nur noch eine untergeordnete Rolle. Was ich sehr schade finde, da ich davon überzeugt bin, dass sie für unseren christlichen Glauben eine sehr wichtige Rolle spielt.

Das wir, Protestanten, Maria fast vergessen haben, liegt zum einen daran, das wir davon ausgehen, das jeder Mensch eine direkte Verbindung zu Gott hat. Wir müssen keine Heiligen anrufen, damit sie unsere Bitten vor Gott bringen.

Zum Anderen, lautet einer der reformatorischen Grundsätze “Solus Christus”. Das Heil ist allein durch Jesus Christus zu den Menschen gekommen. Maria ist komplett hinter ihrem Sohn verschwunden

Bei unseren katholischen Geschwistern, sieht es dagegen ganz anders aus. Es gibt viele Festtage, Lieder und Gebete nur zu ihren ehren. Sogar der schönste Monat des Jahres, der Mai, ist ihr gewidmet.

Was ist also so faszinierend an ihr? Oder vielleicht etwas persönlicher: was finde ich so faszinieren an ihr.

Zunächst einmal, hat es ganz praktische Gründe. Unser Glaube, unser Gottesbild ist sehr männlich geprägt - Der Herr, der Vater, der Sohn. Ich, persönlich, finde es sehr gut, dass es wieder in unser Bewusstsein rückt, das Gott über den Geschlechtern steht, und auch eine weibliche Seite hat. Das war schon im Alten Testament bekannt. Im alt-hebräischen haben die Worte “Barmherzigkeit” und “Gebärmutter” den selben Wortstamm. Die Barmherzigkeit ist also etwas zutiefst weibliches.

Du hast es vielleicht bemerkt, ich habe im Votum, Gott auch als Mutter bezeichnet. Aber, ich muss es mir jedes mal bewusst machen, was ziemlich anstrengend ist. Und spätestens beim Wort Gott, grammatikalisch maskulinum, bin ich wieder beim er und habe ein eher männliches Bild - Aber das mit dem Gendern ist ein Thema für einander mal.

Maria, als Frau und Mutter, schafft für mich einen Gegenpol zu all der Maskulinität. Mit Maria fühle ich mich, mit meiner Weiblichkeit, im Glauben repräsentiert.

Es gibt viele außergewöhnliche Frauen in der Bibel, auch abseits der bekannten Stellen. Debora, die erste Richterin; Judith, die Holofernes überwältigt hat; oder Rut und Noomi, die es geschafft haben sich in einer patriarchalen Welt zu behaupten.

Oder, ich schaue, in der katholischen Tradition, bei den Heiligen. Da gibt es zum Beispiel Johanna von Orleon, auch als Jean d’Arc bekannt; Hildegard von Bingen, die sich schon im Mittelalter für die Würde der Frauen eingesetzt hat; oder noch gar nicht so lange her, Edith Stein, die sich für den jüdisch christlichen Dialog stark gemacht hat. Die Liste außergewöhnlicher Frauen ist schier endlos.

Aber etwas hat Maria, das die anderen nicht haben. Ohne Maria, wäre das Christentum, so wie wir es heute kennen nicht möglich gewesen, hätte es Jesus nicht gegeben.

Eigentlich hätte Gott auch einfach einen Lehmklumpen nehmen und Jesus daraus formen können. Bei Adam, hat er es auch so gemacht. Dann hätte Jesus aber etwas entscheidendes gefehlt, ein Mutter.

Eine Mutter zu haben, ist etwas, das uns alle verbindet. Wir alle haben eine Mutter, ob wir kontakt zu ihr haben, oder nicht; ob sie noch lebt, oder schon verstorben ist. Wir alle haben eine Mutter, die uns 9 Monate lang wohl behütet in ihrem Bauch getragen hat. Die für uns die Mühen der Schwangerschaft und die Schmerzen bei der Geburt auf sich genommen hat. All die Opfer, nur für uns ganz persönlich, um uns unser Leben zu schenken. Das ist etwas, das Gott alleine nicht leisten kann.

Und auch für seinen Sohn, braucht Gott eine Mutter. Er braucht eine menschliche Frau, die bereit ist an seinem Werk mitzuwirken. Ohne Maria, und ihre Bereitschaft, Gott zu helfen, wäre die Menschwerdung nicht möglich gewesen. Hätte es das Zusammenspiel zwischen Gott und den Menschen nicht gegeben, hätte es die Erlösung nicht gegeben.

Obwohl Maria eine so wichtige Rolle spielt, erfahren wir in der Bibel nicht viel über sie.

Lange Zeit verkörperte Maria, das Bild einer unterwürfigen Frau, die sich um die Kinder und den Haushalt kümmert, und ansonsten leise ist und bloß nicht stört. Vielleicht erinnerst du dich noch an die Szene im Lukas Evangelium, als ein Engel zu Maria gekommen ist und ihr verkündet hat, dass sie ein Kind empfangen wird. Am Ende hat sie mit

Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast (Lk1,38),

geantwortet. Zugegebener Maßen, klingt das nicht sehr emanzipiert und wurde sehr lange Genutzt, um Frauen zu unterdrücken. Dabei wird leider der Teil davor aus dem Blick verloren. Maria sagt nicht sofort ja, als der Engel kommt. Sie fragt interessiert nach. Sie möchte verstehen wie und was passiert, bevor sie eine Entscheidung trifft.

Selbst, kommt Maria nur im Magnificat zu Wort. Wir haben es gerade in der Lesung, in einer musikalischen Interpretation von unserer Kantorei, gehört. Das Magnificat ist ein Lobgesang auf Gott, der Marias Frömmigkeit und Freude über die Schwangerschaft unterstreicht. Ich finde es bemerkenswert, dass Es auch kritische Verse enthällt.

Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen. (Lk 1,52-53)

Maria übt hier Gesellschaftskritik. Ganz direkt und offen.

In meinen Augen, ist Maria eine fromme, intelligente, emanzipierte Frau, die Ungerechtigkeiten nicht einfach so hin nimmt, sondern laut wird und dagegen ankämpft. Und sie ist eine Mutter, die sich liebevoll um ihren Sohn gekümmert hat. Kurz um, für mich hat sie Vorbildcharakter.

Und für Gott, war sie die ideale Mutter, für seinen Sohn. Eine Frau, mit den richtigen Eigenschaften, um Jesus einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.

Wie ist das bei dir? Was macht deine Mutter so besonders? Welche Eigenschaften bringt sie mit, um dir eine gute Mutter zu sein?

Wenn du heute Nachmittag bei deiner Mutter, vielleicht auf ein Stück Käsekuchen, eingeladen bist, oder ihr miteinander telefoniert, oder du ihr Grab besuchen gehst, denk an all die Opfer, die sie nur für dich gebracht hat. Oder vielleicht auch noch bringt, und sag einfach mal Danke.

Amen.

Predigt „Queerche“ 22.02.2024

2024-02-23 Sarah

CN Kink

(Nächsten)Liebe queer gelesen

BDSM, Sadistmus, Masochismus, diese scheinbare Gewalttätigkeit, ist wohl das Letzte, an das man denkt, wenn es um Liebe geht. Dabei hat es sehr viel miteinander zu tun. Deshalb möchte ich dir eine kurze, persönliche Geschichte erzählen. Vielleicht kennst du ja das ein oder andere Gefühl, oder den ein oder anderen Gedanken auch aus deinem Leben.

Ich stehe in einem kleinen Raum. Vor mir ist eine Tür und daneben steht ein kleines Bänkchen. Ich ziehe mich aus und lege meine Kleidung auf dem Bänkchen ab und mit ihr meinen Alltag, den ich jetzt einfach draußen lasse. Dann öffne ich die Tür. Vor mir ist ein großer Raum. In der Mitte liegt eine große Matte, darüber hängt ein Bambusrohr von der Decke. Um die Matte herum stehen viele Kerzen, die den Raum in ein angenehmes warmes Licht tauchen. Aus der einen Ecke kommt leise Entspannungsmusik, es riecht angenehm nach Vanille und Nelken. Ich gehe in den Raum und setze mich in der Mitte auf die Matte unter den Bambus. Und ich Atme -… ganz langsam. Ich komme an, ich bin im hier und jetzt. Ich darf einfach sein.

Als ich ganz entspannt bin, kommt sie herein. Sie setzt sich mir gegenüber und schaut mich an. Wir kennen uns schon ewig und es ist, als wenn sie direkt in mein Herz schauen kann. Dann hält sie mir fragend eine Augenbinde entgegen. Ich nicke. Sie setzt sich hinter mich und legt mir die Augenbinde an. Dann nimmt sie mich in den Arm und wir Atmen gemeinsam. Ich merke, wie ich mich immer weiter fallen lassen kann, weil ich weiß und spüre, dass ich gehalten werde. Ich spüre die Liebe zwischen uns. Während wir so sitzen, es ist fast so, als wenn sich unser Herzschlag synchronisiert und wir ineinander verschmelzen. Ich könnte ewig in dieser Liebe baden.

Plötzlich setzt sie mich aufrecht hin, rückt ein kleines Stück weg von mir, legt mir meine Hände auf den Rücken und bindet sie zusammen. Dann geht sie weiter und fesselt meinen Oberkörper, mal schnell mal langsam - in ihrem Tempo aber immer mit viel Gefühl. Ich spüre, wie das Seil über meine Haut gleitet. Ich kann hören wie das Seil arbeitet und die Enden immer wieder auf den Boden fallen. Der Geruch des Juteseiles steigt mir in die Nase. Auf der einen Seite gibt mir das Seil ein Gefühl von Hilflosigkeit und das macht mir etwas Angst. Auf der Anderen Seite aber, gibt es mir Halt. Es ist wie eine feste Umarmung in die ich mich weiter fallen lassen kann. Sie hat nun alle Macht über mich und ich vertraue ihr.

Dann legt sie das Seil über den Bambus und zieht mich mit Schwung nach oben, so dass ich jetzt stehe, aufrecht, mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Jetzt zieht sie mich ganz langsam immer weiter nach oben. Ich merke, wie ich langsam den halt unter meinen Füßen verliere. Ich stehe auf den Zehenspitzen. Ich kann den Boden kaum noch spüren und kämpfe, um nicht den Halt zu verlieren. Aber egal wie sehr ich mich anstrenge, ich komme immer wieder ins wanken und verliere unweigerlich den Halt.

Aber das Seil, sie, hält mich. Nach einer gefühlten Ewigkeit in dieser ausweglosen Situation, reißt sie meine Beine nach oben und bindet sie auch am Bambus fest.

Zum Glück, nimmt sie noch ein weiteres Seil, um auch meiner Hüfte halt zu geben. Und so hänge ich nun da. Seitlich in der Waagerechten. Ich spüre den Druck der Seile an meinem Oberarm, der Hüfte und den Füßen.

Es ist unangenehm. Ich bin vollkommen hilflos, und kann die Situation nicht aus eigener Kraft verbessern. Also hoffe ich und vertraue darauf, dass sie da ist und mich rechtzeitig aus meiner misslichen Lage befreit.

Da ist sie wieder, ganz nahe und ich freue mich schon, auf die Erlösung. Aber anstatt mich zu erlösen, nimmt sie ein weiteres Seil, bindet es um meine Taille und gibt Spannung darauf. Das Seil macht es mir schwer zu Atmen. Ich muss mich voll und ganz auf meine Atmung konzentrieren, um irgendwo in meinem Körper noch eine Stelle zu finden, wo ich hin atmen kann. Mit jedem Atemzug schneidet sich das Seil immer tiefer in meine Haut und verursacht immer größere Schmerzen.

Ich bin am Ende. Ich weiß nicht, wie viel ich noch ertragen kann. Also versuche ich mich auf sie zu konzentrieren. Aber wo ist sie? Ich höre sie nicht mehr. Ich kann sie nicht mehr spüren. Hat sie mich verlassen? Ich merke, wie das Vertrauen schwindet. Die Angst in mir wächst und macht die Situation für mich immer unerträglicher.

Gerade in dem Moment, wo ich aufgeben will, streicht sie mir über den Kopf und spricht mit Mut zu. Ich merke sofort, wie viel Kraft es mir gibt zu wissen, dass sie noch da ist, dass sie mich sieht, dass sie mich hält.

Es ist noch kein kleiner Augenblick, dann fängt sie an, mich wieder zu befreien. Sie lässt mich an den Seilen langsam zu Boden ab. Ganz behutsam löst sie ein Seil nach dem anderen. Ich spüre wie ich Stück für Stück immer mehr Freiraum bekomme, wie es mir wieder leichter fällt zu atmen. Nach dem sie alle Seile entfernt hat, setzt sie sich an mein Kopfende, legt meinen Kopf in ihren Schoß und streichelt mich sanft. Ich liege da, in ihrem Schoß und werde gehalten. Ich bin ihr ganz nah und spüre all die Dankbarkeit und Liebe, die sie ausstrahlt.

Von den Strapazen gezeichnet und völlig erschöpft, aber über glücklich und auch ein wenig stolz, dass ich es durchgestanden habe, und erstaunt, wie widerstandsfähig ich sein kann, schlafe ich in ihren Armen ein.

Amen.

Rede zur ReclaimYourKiez Demo

2023-09-23 Sarah

Es ist schön zu sehen, wie viele Menschen hier sind. Danke, das ihr alle hier seid um für eine offene und tolerantere Gesellschaft einzustehen. Danke, das du da bist. Und Danke, das ich hier stehen darf und gehört werde.

Ich bin Sarah, queerpolitische Aktivistin in und aus Köpenick. Ich habe das große Privileg im Moment keiner Erwerbsarbeit nachkommen zu müssen, und kann deshalb sehr viel Zeit und Energie in meine ehrenamtliche Arbeit stecken. Ich bin aktives Mitglied der deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität. Dort beteilige ich mich an der Meinungsbildung zur Bundespolitik und Gesetzesvorhaben, wie ganz aktuell das Selbstbestimmungsgesetz. Und berate trans Personen und deren Angehörige. Hier im Bezirk habe ich unter Anderem das Team Queer Treptow-Köpenick mit gegründet. Wir sind eine Gruppe von Einzelpersonen, Vereinen, Initiativen, der Kirche, Parteien und der Verwaltung. Wir machen das queere Leben im Bezirk sichtbar und wollen Anlaufstellen und Beratungs- und Bildungsangebote schaffen.

Ich habe gerade eine scheiß Angst, hier zu stehen. Weil ich mich in diesem Moment zur Zielscheibe der Nazis mache.

Letzte Woche auf der Kundgebung gegen die AfD, hat sich ein guter Freund hingestellt und eine Rede gehalten. Noch am Rande der Demo hat er dann eine Morddrohung erhalten. Die Gefahr ist also da und sehr real. Ich habe aber auch das Privileg, ein großes Netzwerk zu haben das mich schützt und auffängt. Für mich ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem ich für meine Rechte aufstehe und laut werde!

Ich! bin! hier!

Ich habe das Recht in Freiheit und Würde zu leben und ich werde dafür kämpfen. Ich lasse mich nicht mehr Einschüchtern!

Ich habe Angst. Ich habe jeden Tag Angst. Jeden Moment in dem ich draußen bin, habe ich Angst davor wieder das Ziel einer queerfeindlichen Attacke zu werden. Queerfeindlichkeit ist im Register das einzige Motiv, das in den letzten 3 Jahren stetig gestiegen ist. 2020 waren es noch 8 gemeldete Fälle, letztes Jahr schon 27. Und dieses Jahr waren wir Mitte September bei 38 Vorfällen. Und das allein hier im Bezirk. Das sind die offiziellen Zahlen. Das sind Vorfälle, bei denen sich jemand die Mühe gemacht und sie gemeldet hat. Die Dunkelziffer ist um ein vielfaches höher. Das die Zahlen steigen liegt nicht daran, das wir verstärkt auf das Thema achten und melden. Nein, der Ton ist wirklich rauer geworden. Als ich mich vor drei Jahren geoutet hatte, habe ich vielleicht einmal pro Woche einen transfeindlichen Kommentar abbekommen. Mittlerweile werde ich beinahe täglich Beleidigt oder ausgelacht. An einigen Tagen passiert mir das auch mehrmals.

Ich alleine könnte also fast jeden Tag einen Vorfall melden. Ich mache das aber leider nicht, weil ich den einzelnen Vorfällen nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken möchte, weil es mir persönlich nicht gut tut und es mich zusätzlich belastet.

So wie mir geht es sehr vielen hier im Bezirk. Und wir brauchen Unterstützung. Von der Polizei können wir leider nichts erwarten. Bis die sich bewegen, muss es schon richtig eskaliert sein und auch dann machen sie in der Regel mehr Probleme, als sie lösen. Und so lange die ihre interne Nazi-Seuche nicht in den Griff bekommen, traue ich denen nicht.

Am Ende bleibt uns nur noch die Zivilgesellschaft. Also ihr. Und schaut euch mal um. Ihr seid viele. Wenn ihr das nächste mal einen rassistischen, queerfeindlichen oder sonst irgendwie diskriminierenden Vorfall mitbekommt, macht bitte den Mund auf. Lasst das nicht so im Raum stehen und lasst uns nicht alleine.

Zeigt uns, das ihr da seid. Meldet den Vorfall zum Beispiel an das Register. Für uns sind die Ereignisse meistens zu Belastend, um sie später nochmal aufzurollen und zu melden. Und zeig den Arschlöchern, das deren menschenverachtende Aussagen und Taten hier nicht geduldet werden. Und, das Hass keine Meinung ist.

Wo das hinführt, wenn wir deren Aussagen so stehen lassen, sehen wir ja gerade, wenn wir uns die Gesellschaft anschauen. Und ich habe auch Angst vor der Zukunft. Letzte Woche kam bei einer Studie heraus, das mittlerweile 8% der Menschen in Deutschland ein rechtsextremes Weltbild teilen. Plus etwa 20% mit einer starken Tendenz in diese Richtung. Und es werden noch mehr werden, wenn wir nicht endlich anfangen dagegen zu halten.

Die Politik wird uns da nicht helfen. Dort hält man es für eine gute Idee, die Themen der Faschisten zu übernehmen und ihnen damit viel zu viel Raum zu geben. An den Bereichen, die essentiell für die Demokratie sind, soziale Projekte und in der politischen Bildung wird jetzt gespart. Dabei brauchen wir mehr, statt weniger Angebote.

Im April wurde uns noch für jeden Bezirk die Stelle einer queerbeauftragten Person versprochen. Und zwar als Vollzeitstelle. Wenn ich jetzt mal Nachfrage, was damit ist, bekomme ich zu hören, das kein Geld da ist. Hier in Treptow Köpenick kann das ja die Gleichstellungsbeauftragte nebenbei übernehmen, es gibt aber keine zusätzlichen Mittel.

Das Selbstbestimmungsgesetz, wird seit Jahren verschleppt. Betroffenen wird nicht zugehört, aber den Schauermärchen der transfeindlichen Populist*innen wird wiedermal viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Der aktuelle Entwurf ist voll von Misstrauen gegen uns. Es gibt sinnlose Wartefristen, um einem möglichen Missbrauch vorzubeugen. Es ist explizit erwähnt, dass das Hausrecht davon unberührt bleibt. Was an der aktuellen Situation nichts ändert, aber den Eindruck entstehen lässt, dass Diskriminierung nun über das Hausrecht erlaubt wird. Unsere Daten sollen automatisch an sehr viele Behörden, darunter die Bundespolizei, das BKA und den Verfassungsschutz, übermittelt werden. Ehrlich gesagt, frage mich nicht ob, sondern wann die ersten rosa Listen angefertigt und an die Nazis weitergegeben werden.

Das macht mir Angst und das sollte euch auch Angst machen. Noch betrifft es euch vielleicht nicht, aber die Geschichte lehrt uns, das es nur eine Frage der Zeit ist, bis ihr an der Reihe seid. Wir dürfen uns von dieser Angst nicht lähmen lassen. Wir müssen diese Angst als Warnung sehen und endlich anfangen etwas zu tun. Auch wenn ich aktuell wenig Vertrauen in die demokratischen Institutionen habe, müssen wir sie nutzen und mit allen Mitteln schützen. Demokratie fängt schon im kleinen, bei uns und den Menschen um uns herum an. Nur gemeinsam können wir etwas Verändern.Ich sage euch aber auch, es ist harte Arbeit und wird anstrengend.

Wir müssen anfangen Brücken zu bauen und wieder aufeinander zu zugehen. Schluss mit wir gegen die Anderen.

Wir müssen anfangen Gemeinsamkeiten, statt Unterschiede zu suchen. Und die Unterschiede feiern.

Wir müssen wieder einander zuhören.

Wir müssen lernen Widersprüche auszuhalten.

Wir müssen einander erlauben Fehler zu machen und uns dabei unterstützen, dazu zu lernen.

Wir müssen lernen Kritik auszuhalten und uns selbstkritisch hinterfragen.

Und vor Allem: Müssen wir gemeinsam und solidarisch für einander einstehen.

Danke

Gedanken zu gesellschaftlichem Druck auf queere Menschen – Jakobus1,2-12

2023-09-06 Sarah

CN Gewalt, Detransition, Kink

Ich denke gerade offen über Detransition nach, weil ich nicht weiß, wie lange ich dem sozialen Druck noch standhalten kann. Aus meiner Arbeit heraus weiß ich, das es viele trans Personen gibt, denen es so geht. Häufig ist sozialer Druck die Ursache, die Entscheidung für eine Detransition zu treffen. Ich möchte meine Gedanken hier teilen, um dir zu zeigen, das du nicht alleine bist. Vielleicht helfen dir meine Ansätze, Kraft zu finden. Das sind alles sehr hohe Ziele und Anforderungen, die ich mir hier stelle. Ob es wirklich funktioniert und ob ich es schaffe, wird die Zukunft zeigen müssen.

Und um es noch mal klar zu sagen. Detransition ist eine valide Option, egal aus welchen Beweggründen. Wenn du gerade in einer ähnlichen Situation bist, oder vielleicht die Entscheidung für dich schon getroffen hast und Unterstützung auf diesem Weg benötigst, schreibe mich gerne an.

Detransition würde für mich bedeuten, dass ich mich wieder den gesellschaftlichen Normen anpasse. Es verheißt mir, im Alltag meinen Frieden mit der Umgebung zu haben, mich psychisch wieder zu erholen, wieder arbeiten zu gehen und dadurch finanzielle Sicherheit. Für mich eine ziemlich große Versuchung, weil es all das Verspricht, was mir momentan fehlt. Dafür muss ich nur meine Seele – die Sarah in mir – verkaufen. „… und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlösen uns von dem Bösen“ – ziemlich passend, oder?

Heute früh habe ich mir in der Lectio Jakobus 1,2-12 angeschaut und möchte nun gerne meine Gedanken hier teilen.

„2 Meine Brüder und Schwestern, erachtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtung fallt, 3 und wisst, dass euer Glaube, wenn er bewährt ist, Geduld wirkt. Die Geduld aber soll zu einem vollkommenen Werk führen, damit ihr vollkommen und unversehrt seid und keinen Mangel habt.„

Jemand hat mich mal gefragt, warum ich mich ärgere, wenn eine andere Person etwas tut, das mir nicht gefällt. Wenn ich in Anfechtung falle, also auf der Straße einen negativen Kommentar abbekomme, kann ich mich darüber ärgern. Ich kann aber auch die Entscheidung treffen, nachsichtiger damit umzugehen. Wenn wir mal ehrlich sind, ist den meisten Menschen nicht bewusst, wie verletzend sie in dem Moment sind. Entweder sind es irgendwelche Jugendlichen, die sich damit in ihrer Gruppe profilieren wollen. Und warum tun sie das? Weil sie selber mit sich unzufrieden sind und hoffen dadurch einen höheren Status in ihrer Gruppe zu bekommen. Eigentlich bemitleidenswert. Ich bin da nur der Auslöser für und leider der Kollateralschaden, der dabei entsteht.

Oder es sind andere Menschen, die noch nie mit queeren Menschen in Kontakt gekommen sind. Für sie ist es neu, eine trans Person zu sehen. Da wird dann schon mal länger hingeschaut, um das einzuordnen, was sie gerade sehen. Aus dieser Überraschung kann dann schon mal ein „Wassn das?“, raus rutschen. Und auch das ist sehr Verletzend. Ein Fundament ihres Weltbild wird durch meine bloße Existenz in Frage gestellt. Und um es psychisch zu erklären, fangen sie in diesem Moment damit an, um den Verlust ihres Weltbildes zu trauern. Die erste Phase der Trauer nach  Kübler-Ross ist die Verdrängung. Sie reagieren also mit Ablehnung auf mich, also auf meine Transidentität.

Einige – zum Glück wenige – sind da schon einen Schritt weiter in der Phase der Wut. Sie akzeptieren, dass ihr Weltbild nicht funktioniert uns werden darüber Wütend. Und eine Schuldige ist schnell gefunden – Ich. Ich habe ihr Weltbild kaputt gemacht. Das sie eher Wütend auf die Gesellschaft, die dieses falsche Weltbild geprägt hat sein sollten, würde einen Perspektivwechsel und Reflektion bedeuten.

All diese Situationen sind verletzend. Jede für sich ist aushaltbar, aber in der Summe sind sie sehr zermürbend. Wenn ich mich aber jedes mal darüber ärgere und es persönlich nehme, obwohl die Menschen mich nicht kennen, verstärke ich die Macht dieser negativen Erfahrungen.

Menschen können aber lernen Schmerz als etwas positives wahrzunehmen und ihr Schmerzempfinden so herabzusetzen. Es gibt zum Beispiel Menschen, die sich aus religiösen Gründen schmerzen zufügen. Oder, was ich auch aus eigener Erfahrung kenne. Im Kink können Schmerzen etwas sehr lustvolles sein. Im Alltag bin ich recht empfindlich, aber in einer kinky Situation halte ich viel mehr Schmerzen aus. Oft frage ich mich am nächsten Tag, wie ich das geschafft habe. Oder Menschen, die sich Ritzen, empfinden den Schmerz als etwas heilendes.

Wenn das mit physischen Verletzungen funktioniert, warum nicht auch mit psychischen? Kann ich mich nicht dazu entscheiden, die Kommentare als das zu sehen, was sie sind und was dahinter steckt? Ich erhalte eine direkte Reaktion darauf, das diese Menschen, von mir berührt wurden und ihr Weltbild ein wenig ins Wanken gekommen ist. All das nur, weil ich existiere. Ganz passiv, ohne das ich wirklich etwas dafür tun muss. Mit der nächsten trans Person wird ihr Weltbild weiter wanken, bis es irgendwann in sich zusammenfällt. Vielleicht schaffe ich es ja, mich dann an den Reaktionen zu erfreuen, gerade weil ich weiß, das ich mein Licht in die Welt gesendet habe. Und diese Freude kann mir Helfen mehr zu ertragen und so am Ende zu dem vollkommenen Werk – einer offenen und diversen Gesellschaft – meinen Beitrag zu leisten. Wenn wir dieses Ziel erreicht haben und so akzeptiert werden, wie wir nun mal sind, sind wir in den Augen der Gesellschaft vollkommen, werden nicht mehr angegriffen – unversehrt – und ohne Mangel – queer ist kein gesellschaftlicher Mangel mehr.

„6b denn wer zweifelt, der gleicht einer Meereswoge, die vom Winde getrieben und aufgepeitscht wird.“

Ich Zweifele gerade an mir und meinem Weg. Wie die Wellen wanke ich hin und her. In Safespaces bin ich Sarah, in der Öffentlichkeit, bin ich ein Mann. Das zermürbt. Wer bin ich denn nun? Wer will ich sein? Welchen Weg möchte ich einschlagen? Dieses Hin und Her, dieses unbestimmte macht es mir gerade noch schwerer. Ich muss eine Entscheidung treffen und diesen Weg – zumindest ein Stück – gehen. Diese Entscheidung, welche Geschlechtsidentität ich leben möchte, ob es meine psychische oder physische – so wie die Mehrheitsgesellschaft sie interpretiert – ist, ist das Fundament, auf dem ich mein neues Leben aufbauen kann. Wenn es ständig wankt, kommt auch alles andere darüber ins Wanken und wird mir immer wieder einstürzen.

Zweifel sind gut und wichtig im Prozess um zu einer Entscheidung zu kommen. Ich halte es für wichtig nicht zu lange zu Zweifeln und am Ende zu einer Entscheidung zu kommen und diesen Weg dann zumindest ein Stück weit zu gehen.

„9 Der Bruder aber, der niedrig ist, rühme sich seiner Höhe;„

Wenig Selbstbewusstsein, ein schlechtes Selbstbild, davon habe ich genug. So lange das so ist, werde ich Schwierigkeiten haben, dem Druck stand zu halten. Diesen Vers verstehe ich als klare Anweisung, mich als das wundervolle Geschöpf, das ich bin zu akzeptieren und mich meiner Höhe zu rühmen. Was nicht heißt, das ich jetzt überheblich werde und mich größer mache als ich bin. Aber ich darf mir meiner Höhe bewusst werden und wachsen.

„12 Selig ist, wer Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben.“

Dieser letzte Vers fasst es nochmal gut zusammen. Wenn ich es schaffe die Anfechtungen zu erdulden, mir ein stabiles Fundament aufzubauen, muss es sich noch bewähren. Aber dann wenn es sich bewährt, bekomme ich die „Krone des Lebens“. Ich kann endlich wieder anfangen frei zu leben und diesem, meinem, Leben die Krone aufsetzen. Am Ende meines Lebens kann ich dann stolz zurückschauen und mich an allem erfreuen, das ich erreicht habe.

Predigt „Queere Andacht“ 24.06.2023

2023-06-26 Sarah

CN Gewalt, Suizid

„Ihre Tochter hat heute wieder ein Kind geschlagen.“ Gut das höre ich mindestens ein mal die Woche, wenn ich meine Tochter aus der Kita abhole. Sie ist 2, da ist die Sprache noch nicht so ausgereizt, das man Konflikte mit Worten lösen kann. Wir gehen also nach Hause, setzen uns in Ruhe hin und ich frage sie, was passiert ist. „Der Erik hat mir das Feuerwehrauto weggenommen und ich wollte es wieder haben. Da habe ich ihn dann gehauen.“ „Kind, das hast du sehr gut gemacht. Zeig den Jungs, das man mit Mädchen nicht so umgehen kann. Ich bin stolz auf dich.“, denke ich mir, sage es aber nicht.

Die Gruppe im Kindergarten ist ein Beispiel, wie unsere Gesellschaft auch aussehen könnte. Es herrscht das Recht des Stärkeren. Die schwachen Kinder werden unterdrückt und müssen mit dem spielen, was niemand anderes haben möchte. Aber immer in der Gefahr, das ein anderes Kind es sich anders überlegt und jetzt genau dieses Spielzeug haben will und es kommt wieder zu einem Konflikt, der Notfalls auch mit Gewalt gelöst wird, wenn das schwächere Kind nicht nachgibt. Will ich in so einer Gesellschaft leben? Haben wir den Teil unserer Geschichte nicht schon längst überwunden?

Was mache ich jetzt mit meiner Tochter? In der Gruppe, in der sie sich da in der Kita befindet, war ihr Verhalten ja eigentlich angemessen. Es würde aber eine Gesellschaftsform manifestieren, in der ich nicht leben möchte. Also erkläre ich ihr das mit der Diplomatie „Hast du versucht mit Erik zu reden? Hast du ihm gesagt, das du das blöd findest? Ihr könnt doch teilen. Erst spielt er ein paar Minuten mit dem Auto und dann darfst du es haben.“ Ich denke, das ist etwas, das die meisten Eltern so sagen würden. Oder?

Leben wir wirklich das, was wir den Kindern beibringen? Wenn jemand zu mir ankommt und sich ungefragt mein Fahrrad nimmt, ist meine Reaktion ganz bestimmt nicht „Du darfst es jetzt 30 Minuten haben und dann bin ich wieder dran. Hab viel Spaß damit.“ Wir sagen unseren Kindern das eine und halten uns dann selber nicht dran?

Ich denke, bei Jesus war es ähnlich. Er hat uns die Gewaltfreiheit gepredigt. Er hat uns friedlichen Widerstand gezeigt. Und er ist auch mit gutem Beispiel voran gegangen. Was in einer idealen Welt auch super funktionieren würde. Leider leben wir aber nicht in dieser idealen Welt. Und keine Regel ohne Ausnahme.

Ich weiß nicht warum Jesus im Tempel, Krawall einer diplomatischen Lösung vorgezogen hat. Ich bin mir aber ziemlich sicher, das er seine Gründe dafür hatte.

Ein paar Jahre später hat sich die Gruppe in der Kita beruhigt und Konflikte werden in der Regel friedlich gelöst. „Ihre Tochter hat sich mit Erik geprügelt. Der Junge musste zum Arzt und hat eine leichte Gehirnerschütterung.“ Uff. Wir gehen also wieder nach Hause, setzen uns in Ruhe hin und ich frage sie, was passiert ist. „Der Erik hat mir den Ball weggenommen und wollte ihn mir nicht wieder geben. Als ich gesagt habe, das ich zu Frau Schneidereit gehe, hat er mich festgehalten und gehauen. Ich habe ihn dann zurück gehauen und geschubst. Da ist er dann gegen dem Baum gefallen.“ Unter Tränen sagt sie noch „Ich wollte nicht, das er sich so weh tut. Es tut mir ganz dolle leid. Ich habe mich auch schon bei ihm Entschuldigt.“

Was mache ich nun mit ihr? Ich habe ihr gesagt, das sie alles richtig gemacht hat.
„Wenn dich jemand angreift, darfst du dich wehren. Und zur Not darfst du dann auch zurück hauen und schubsen. Aber pass auf das du dabei nicht zu dolle machst. Du hast ja gesehen, was passieren kann“.

Das scheint sie am nächsten Tag in der Kita erzählt zu haben. Jedenfalls fand das die Erzieherin wohl nicht so toll und ich habe ein Gespräch mit ihr und der Teamleitung gewonnen.

Meiner Meinung nach haben wir alle ein Recht auf Verteidigung und wir dürfen uns im wehren. Im Notfall auch mit Gewalt. Aber Gewalt zieht immer noch mehr Gewalt nach sich und es eskaliert fröhlich vor sich hin. Das heißt, das wir regulierend eingreifen müssen, um eine Eskalation zu verhindern. Das Ziel sollte also immer sein so viel Gewalt wie nötig, aber so wenig wie möglich anzuwenden.

In der Geschichte mit meiner Tochter ging es um physische Gewalt. Einfach, weil das Ergebnis sofort sichtbar ist und auch Außenstehende es beobachten können. Bei der psychischen Gewalt ist das anders. Das Ergebnis dieser Gewaltform ist nach außen unsichtbar. Regelmäßig transfeindliche Rhetorik zu hören, zu sehen, das die Gesellschaft immer weiter nach rechts rückt, macht mir Angst. Jede Beleidigung, jede Diskriminierung, jedes Misgendern, das ich erlebe lässt mich schlecht fühlen. Und egal, wo ich hin gehe, es begegnet mir überall. Bei Menschen, die selber nicht betroffen sind, erlebe ich oft, das es noch herunter gespielt wird. „Ist doch bloß ein dummer Kommentar. Ignoriere es einfach.“ sind Ratschläge, die ich häufig bekomme. Ich würde es liebend gerne einfach ignorieren und nicht an mich heran lassen. Aber es geht nicht. Ich fange an an mir zu zweifeln und der Selbsthass wächst unaufhaltsam. Von Außen, aber sieht man das alles nicht.
Bei mir hat das bereits 2 Mal dazu geführt, das ich nach einem Suizidversuch auf der Intensivstation aufgewacht bin. Erst da ist das Ergebnis jahrelanger intensiver psychischer Gewalt sichtbar geworden. Also theoretisch, hätte man es da sehen können. Aber weißt du, was wirklich passiert ist? Ich wurde zum Täter gemacht. Mir wurde vorgeworfen, das ich nicht an meine Freunde und Familie denke und was ich ihnen damit antue. Was ich aber jeden fucking Tag erlebe und aushalten muss, wollte niemand hören. Da wird dann wieder weggeschaut und alles herunter gespielt.

Ich habe mittlerweile sehr viele Menschen kennen gelernt, denen es so wie mir geht. Und ich bin mir sicher, das auch heute, hier unter uns einige sind, die das auch kennen.

Was können wir tun, um auf das Ausmaß psychischer Gewalt aufmerksam zu machen? Welche Mittel haben wir um uns zu wehren? Wie viel Gegenwehr ist angemessen und wie viel ist zu viel? Und wer bestimmt das eigentlich?

Wie kann ich das eines Tages meiner Tochter erklären?

Ich weiß es nicht.

Amen

Predigt „Queere Andacht“ 30.04.2023

2023-05-01 Sarah

Die Predigt gibt es ab Minute: 1:58:40 in der 188 Ausgabe vom Hör doch mal zu Podcast zum Hören.

Embrace who you are

Als ich vor ein paar Wochen das Thema gesehen hatte, kam mir sehr schnell der Gedanke, dass ich dazu viel Beitragen kann und auch möchte.

Schnell kamen in mir dann aber wieder die Selbstzweifel auf. Ich hatte Gedanken, wie:

„Ich habe ja erst vor 4 Wochen angefangen meinen Weg zu G*tt zu finden. Ich habe noch fast keine Ahnung vom Glauben, der Bibel und Gottesdiensten. Wie kann ich mir dann anmaßen, eine Predigt halten zu wollen? Und außerdem stehe ich ja sowieso nicht gerne im Rampenlicht.“

Mir fehlte dann doch der Mut und das Selbstvertrauen.

Wie du nun aber siehst, stehe ich jetzt doch hier. Wie es dazu kam, ist ein schönes Beispiel für den heutigen Psalm

G*tt weidet mich, mir fehlt es an nichts. Ps 23,1 [BigS]

Mir fehlt es an nichts. Ich hatte nicht den Mut, mein Vorhaben umzusetzen. Ich wollte schon aufgeben. Dann hat G*tt mir wundervolle Menschen geschickt. Menschen, die mir die Kraft, die mir fehlte, gegeben haben. Dafür bin ich sehr dankbar.

Aber warum stehe ich jetzt hier und habe das Privileg an diesem heiligen Ort vor G*tt zu euch sprechen zu dürfen? Warum hat G*tt mir geholfen, dieses Ziel zu erreichen? Warum ich? Was macht mich so besonders?

Ich habe den heilige Prozess der Neuschöpfung auf eindrucksvolle Weise am eigenen Leib erlebt und auch erlitten.
Ich bin keine der trans Personen, die es schon ihr Leben lang wussten. Bei mir gab es diesen einen Moment, in dem G*tt mir offenbart hat, dass ich nicht der Mensch bin, der ich immer dachte zu sein. Dieser eine, wichtige Moment hat mir die Kraft gegeben, mich auf die Suche zu meinem wahren Ich zu begeben. Dieser Weg war nicht einfach. Hauptsächlich, weil ich sehr lange dagegen angekämpft habe.

Ich habe dagegen angekämpft, weil wir in dieser Gesellschaft, von Kindesbeinen an darauf dressiert werden in bestimmte Boxen zu passen und einfach zu funktionieren. Alle Menschen, die dort ausbrechen, werden verachtet, gedemütigt und verstoßen. Ich habe das geglaubt. Ich war ein Teil des Systems. Ich habe mich angepasst und dabei vergessen auf mich zu achten. Um das zu bemerken, habe ich den Impuls von G*tt gebraucht. Als ich mich auf den Weg zu mir gemacht habe, wollte ich, nein musste ich aus diesen Schubladen ausbrechen. Dafür habe ich mich verachtet und war voller Selbsthass. Ich habe mir selbst mehr seelisches Leid zugefügt, als jeder andere Mensch es jemals hätte tun können.

Wie wir gerade bei den rechten Evangelikalen in den USA und teilen Europas sehen, gibt es einige wenige, aber laute Gruppen die das Wort Gottes für diesen Zweck missbrauchen. Die sich die heiligen Texte so hinbiegen, wie es ihnen passt. Nur um eine Legitimation zu finden, Menschen die anders sind, die sich nicht anpassen, zu unterdrücken und verfolgen. Seien es People of Color, anders Gläubige, behinderte oder queere Menschen; oder selbstbewusste Frauen.

Dabei zeigt sich doch gerade in der Individualität der Menschen, wie kreativ G*tt ist. Und G*tt liebt jede einzelne ihrer Schöpfungen. Wenn in dieser Gesellschaft jede Individualität verurteilt wird und wir so am Ende alle angepasst und gleich sind, zerstören wir dann nicht das Werk Gottes?
Und wenn für diesen Akt der Zerstörung die Worte Gottes als Rechtfertigung hergenommen werden, spätestens dann sollten alle Christ*innen aufstehen und gegen dieses Unrecht ankämpfen! Das du heute hier bist, ist ein erster, wichtiger Schritt in Richtung einer vielfältigen und gerechten Welt.

Jetzt, wo G*tt mir mein Herz geöffnet hat, fange ich langsam an das Wunder auch als solches zu erkennen und anzunehmen. Ich kann nun zu mir stehen und mich als den Menschen, der ich bin, lieben. Genauso, wie G*tt es tut.

Nicht jede Neuschöpfung muss so groß und weitreichend sein. Viele Punkte in unserem Leben, an denen wir das Alte hinter uns lassen und Platz für etwas Neues machen, sind sehr schön und werden gebührlich gefeiert, wie zum Beispiel die Konfirmation, wenn wir die Kindheit hinter uns lassen und in das Erwachsenenleben eintreten; oder die Hochzeit, wenn wir uns mit einem anderen Menschen verbinden und die neuen Wege gemeinsam gehen.

Die meisten Veränderungen gehen aber fast unbemerkt an uns vorbei, weil sie klein sind und wir sie nicht sehen.

Jeden Morgen erwachen wir zu neuem Leben. Jeden Morgen sind wir ein neuer Mensch.

Wenn ich dich frage: „Wie hast du dich von gestern zu heute verändert?“ Dann wirst du mir wahrscheinlich nichts sagen können.

Wenn ich dich frage: „Wie hast du dich seit letzter Woche verändert?“ Dann wird dir vielleicht schon etwas kleines auffallen, wenn du genau hinschaust.

Wenn ich dich aber frage: „Wie hast du dich in den letzten 5 oder sogar 10 Jahren verändert?“ Dann wirst du sicherlich mit Leichtigkeit sehr viel erkennen können. Und bei vielen Dingen kannst du auch nicht den einen Moment, an dem du dich verändert hast, benennen. Es sind die vielen kleinen Dinge, die uns jeden Tag verändern und uns zu dem wundervollen Menschen machen, der wir sind.

Genauso wie die wundervollen Menschen, die mir den Zuspruch gegeben haben, der mir gefehlt hat, können wir alle schon mit kleinen Gesten etwas großes bewirken. Ein Lächeln, oder ein Danke, das von Herzen kommt, kann für unsere Nächsten einen Unterschied machen.

Deshalb möchte ich jetzt hier von ganzem Herzen Danke sagen. Danke, das du heute hier bist.